2 Gedanken zu „Palindrom“

  1. Erinnere mich an einen Kommentar während meines Architekturpraktikums beim
    Hochbaumamt in Ddorf des altehrwürdigen Architekten (zu dem ich durch meinen
    Vater gekommen bin). Ich saß gerade an einem Entwurf eines Hofgartenpavillons,
    den er mir als Wochenaufgabe gegeben hatte, und versuchte irgendwie, seine
    Vorgabe eines kreisrunden Grundrisses zu umgehen, als er mir über die Schulter
    blickte und mit der Larmoyanz des Alters bedeutete:
    „Ihre Abneigung gegen Symmetrie ist Ihrer Jugend geschuldet. Die spuckt gerne
    auf alte Altäre. Sie werden die Symmetrie noch schätzen lernen, wenn Sie älter
    werden.“
    Kann mich deshalb so beinah exakt an den Wortlaut erinnern, weil ich danach noch
    lange mit meinem Vater darüber diskutiert habe.

    Obwohl ich aus Chemie und Biologie mit zahlreichen Beispielen „natürlicher“
    Symmetrien vertraut war, huldigte ich der anarchistischen Überzeugung, dass
    Symmetrie irgendwie ein großer Beschiß ist, ’ne Art mind fuck, dem wir irrtümlich
    erliegen. Und deren sakralen Charakter besonders die Religionen durch
    intendiertes Wiederholen in unsere Kultursehrinde festzementiert haben.
    Mir war die vordergründige Faszination kaleidoskopartiger Bilder völlig
    unverständlich und echt zuwider. Ebenso ging es mir später mit dem Fraktalkitsch.

    Und ich begann zu verstehen, was genau mich an Symmetrie störte: die Perfektion.

    Schönheit ist seitdem ein Begriff, der bei mir immer der Perfektion entgegen
    steht. Selbst den so herrlich abstrakten Kreis, der ureigentlich einer der
    wenigen gelungenen möglichen Ab-Bildungen menschlicher Ideen ist, ertrage ich
    eigentlich nur im Zenpinselstrich.
    Und NOCH IMMER vermute ich, dass Symmetrie ein massiver Bewusstseinsfilter ist,
    der etwas vorgaukelt, eine Art Verzerrung, die unserem faulen Gehirn in den Kram
    passt, weil es beim Mustersehen/Musterdenken Energie spart.

    Ich komme von hier aus direkt zu einem Konzept über A.I., das ich mal begonnen
    und wieder mal nicht ausgeführt habe, in dem ich postuliere, dass wir, um an
    wirklich neue Ideen zu kommen, der A.I. nicht unsere Mustererkennung einimpfen
    sollten, die von Symmetrien aller Art nur so strotzt. Vielleicht unmöglich,
    solange wir dem Bannkreis der Selbstbeobachtung nicht auf Metaebenen entkommen
    können…

  2. Dazu fällt mir noch ein protokollierter Ausspruch Walter Benjamins ein während seiner ersten Haschexperimente:
    „Ornamente sind Geistersiedlungen.“

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